Robin Gosens beim DFB - Nationalspieler, nicht PolizistVon Tim Beyer
Gegen Spanien wird Robin Gosens sein erstes Länderspiel für Deutschland machen. Das ist eine überaus erstaunliche Entwicklung - nicht nur, weil bis zuletzt auch die Niederlande um Gosens geworben haben.
Die Geschichte mit dem Anruf des Bundestrainers und der Autohupe hat Robin Gosens zuletzt oft erzählt, sie ist ja auch einigermaßen kurios. Irgendwann im August war das und Gosens gerade im Urlaub in den Dolomiten, als plötzlich sein Telefon klingelte und aus der Ferne Joachim Löw zu ihm sprach. Er sei einigermaßen überrascht gewesen und habe gerade noch die Warnblinkleuchte anschalten und rechts halten können, sonst wäre er in einen Tunnel gefahren, hat Gosens der "Bild am Sonntag" gesagt. So aber hielt der Empfang und Gosens hörte noch, wie der Bundestrainer ihn für die beiden Länderspiele gegen Spanien und die Schweiz nominierte. Gosens sagte, nach dem Telefonat habe er nur noch "das Auto beschleunigt und im Tunnel vor Freude alles und jeden angehupt."
Es ist der vorläufige Höhepunkt in der Erzählung über die Nationalspielerwerdung von Robin Gosens, 26. Dabei ist seine Karriere eine, die so gar nicht geplant war. Eigentlich, hat Gosens einmal "Zeit Online" erzählt, habe er nämlich ganz andere Pläne gehabt. Gosens war sechs, als ihm sein Opa eine Polizeimütze aufsetzte und ihn in einen Strafenwagen setzte. "Da war die Sache für mich klar: Ich wollte Polizist werden." Mittlerweile wird nicht nur Gosens froh sein, dass er nicht zur Polizei ist. Dass ihm der Fußball dazwischen gekommen ist.
Als der Bundestrainer Löw am Mittwochnachmittag (02.09.2020) über seine Pläne für das Nations-League-Spiel gegen Spanien sprechen sollte, tat er das ungewohnt detailliert. Löw sprach den Rückkehrern Leroy Sané und Niklas Süle, beide waren beim letzten Länderspiel vor 289 Tagen noch am Kreuzband verletzt gewesen, eine Startelfgarantie aus. Im Tor, auch das ist nun kein Geheimnis mehr, wird in Abwesenheit von Manuel Neuer und Marc-André ter Stegen gegen die Spanier Kevin Trapp stehen und nicht etwa Bernd Leno. Natürlich wurde Löw auch noch nach dem frisch berufenen Gosens gefragt.
Löw sagte, Gosens werde "auf jeden Fall in der Startelf stehen".Allein auf der linken SeiteTatsächlich ist Gosens im Kader der Nationalmannschaft gerade ganz allein auf seiner Position auf der linken Außenbahn, immer an der Grenze zwischen Verteidiger und Flügelstürmer. Marcel Halstenberg von RB Leipzig hat Löw gar nicht erst nominiert, er soll geschont werden. Auch Kölns Jonas Hector ist nicht dabei, von Schonung war hier nicht die Rede. Bliebe noch Dortmunds Nico Schulz, der war dabei und ist es nun doch nicht mehr: die Wade. Insofern ist es gar nicht so überraschend, dass der Kader-Neuling Gosens gleich mal eine Einsatzgarantie erhalten hat.
Zumal Gosens ja in der letzten Saison wahrscheinlich so gut Fußball gespielt wie nie zuvor. Mit seinem Klub Atalanta Bergamo hat er die Serie A und die Champions League aufgemischt, er hat zehn Tore erzielt und acht vorgelegt. Eigentlich, das hat Löw vor einiger Zeit verraten, hätte er Gosens gerne schon früher eingeladen. Doch dann kam Corona, und Länderspiele fanden Ende März keine mehr statt.
Ein wenig Zufall und eine gute Idee von Peter BoszMit einigen Monaten Verspätung wird Gosens nun also doch noch debütieren für den DFB, und dann gleich gegen Spanien. Auch das ist Teil einer Geschichte, die im modernen Fußball so eigentlich gar nicht mehr vorgesehen ist: In einem Nachwuchsleistungszentrum war Gosens nie, entdeckt wurde er durch Zufall. An einem Samstagnachmittag vor achteinhalb Jahren hatte Gosens ein Spiel mit der A-Jugend des VfL Rhede, damals erste Leistungsklasse Niederrhein, gehobener Amateurfußball. Ein Scout von Vitesse Arnheim war auch da, eigentlich wegen eines anderen Spielers, doch nach dem Spiel sprach er dann doch lieber Gosens an: Ob er nicht Interesse an einem Probetraining habe?
Und so wurde Gosens, der zuvor in der Jugend bei einem Probetraining bei Borussia Dortmund durchgefallen war, doch noch Profi. Es war Peter Bosz, heute Trainer von Bayer Leverkusen, der aus dem zentralen Mittelfeldspieler Gosens einen Linksverteidiger machte. Er spielte zwar nie für Vitesse in der Eredivisie, dafür aber für den FC Dordrecht und später für Heracles Almelo. Dann wurden sie bei Atalanta auf Gosens aufmerksam - und der Rest ist bekannt.
Auch die Niederlande lockteWomöglich hat allerdings gar nicht so viel gefehlt, und das mit dem DFB und Robin Gosens wäre doch nichts mehr geworden. Gosens ist als Sohn einer Deutschen und eines Niederländers in Emmerich in Grenznähe aufgewachsen, er hat beide Pässe. Auch in den Niederlanden hatten sie die Entwicklung von Gosens mit einigem Interesse verfolgt: Bevor der Bundestrainer Löw anrief, hatte das bereits Ronald Koeman, damals noch Bondscoach, getan. Mittlerweile trainiert Koeman zwar den FC Barcelona, aber er hat Gosens trotzdem noch einmal angerufen, wie der dem "Kicker" erzählt hat.
In einem zweiten Gespräch mit Gosens warb Koeman noch einmal für die Niederlande, der Austausch endete mit einem Gegenvorschlag. Er habe, sagte Gosens, nichts dagegen, wenn Koeman ihn nun zu Barca holen würde. "Das wäre in meinen Augen ein guter Kompromiss."
Stand: 03.09.2020, 08:00
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