Eine der frühesten und wichtigsten Aufgaben des seelischen Apparates besteht daher darin, die im Es nach den Regeln des Primärvorgangs ablaufenden Erregungen zu binden, den Primärvorgang durch den Sekundärvorgang zu ersetzen. Damit gehen nach beiden Richtungen - Lust wie Unlust – primäre und das heißt: intensive Erlebnisweisen verloren. Es «erscheint … denn ganz unzweifelhaft, daß die ungebundenen, die Primärvorgänge, weit intensivere Empfindungen nach beiden Richtungen ergeben als die gebundenen, die des Sekundärvorgangs» (Freud 1920, 68) Die Leidenschaftlichkeit des Menschen steht nach Freud also in enger Beziehung zu den Primärvorgängen, während sich die vernünftige Beachtung der Realität, das Realitätsprinzip, den Sekundärvorgängen verdankt. Der Verlust an affektiver und emotionaler Intensität, den Freud insbesondere im Zusammenhang mit dem Sexualleben des «Kulturmenschen» annimmt, ist damit dem «Vernünftigwerden» des Menschen und dem Aufbau des Ich parallel zu setzen. Dieser Verlust ist es auch, der das von Freud postulierte «Unbehagen in der Kultur» (1930) verständlich werden läßt. Dieses Unbehagen kommt weniger durch den einen oder anderen Verzicht auf diese oder jene explizit sexuelle Aktivität zustande, vielmehr durch den grundsätzlichen Verzicht auf unmittelbare - d. h. nach dem Primärvorgang ablaufende - Erregungsabfuhr, womit gleichzeitig der Verlust primärer Erlebnisqualitäten verbunden ist.