Die Unwucht im Euro-System erreicht einen neuen RekordwertDie Notenbanken der Euro-Partner wie Italien, Spanien oder Frankreich schulden der Bundesbank fast eine Billion Euro – so viel wie nie zuvor. Tendenz weiter steigend. Eine Sicherheit für dieses Geld gibt es nicht.
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AnzeigeIn Europa treibt ein Phantom sein Unwesen. Es heißt Target2 und ist eine bestimmte Größe mit unbestimmter Bedeutung im europäischen Finanzsystem. Fest steht, dass Target2 für Unwuchten innerhalb der Euro-Architektur steht, daher wachen Insider mit Argusaugen über jede Veränderung und jeden neuen Rekordstand. Genau den gibt es jetzt zu vermelden. Target2 hat im Mai einen Extremwert erreicht, wie aus Daten der europäischen Zentralbanken hervorgeht. Deutschland hat in diesem Verrechnungssystem der europäischen Währungshüter jetzt Rekordforderungen. Die Euro-Partner schulden der Bundesbank nunmehr 956 Milliarden Euro, so viel wie nie zuvor.
Umgekehrt haben die Verbindlichkeiten Italiens ebenfalls einen Spitzenwert erreicht: Gegenüber den Euro-Partnern steht die Banca d’Italia mit 465 Milliarden in der Kreide. Die Verbindlichkeiten der Italiener sind im Mai so stark gewachsen wie seit der Euro-Schuldenkrise nicht mehr, um fast 40 Milliarden Euro.
„Die Kapitalflucht nach Deutschland ist in vollem Gange. Sicher wird viel Geld nach Deutschland überwiesen, um sich hier einzukaufen, was die Bundesbank zwingt, die Käufe zu kreditieren“, sagt Hans-Werner Sinn, langjähriger Chef des Ifo-Instituts und einer der prominentesten Ökonomen der Bundesrepublik. In Kürze würden die deutschen Forderungen die Billionen-Euro-Marke überschreiten.
Target2 ist ein Verrechnungssystem, über das sich die europäischen Notenbanken untereinander unverzinslich mit Kapital aushelfen. Innerhalb dieses Systems bildet sich immer dann ein Negativsaldo, wenn ein Mitgliedsland kontinuierlich mehr in einem anderen Mitgliedsland kauft oder investiert als umgekehrt, und zwar unabhängig davon, ob es Private, Firmen oder Banken sind, die grenzüberschreitend auf Shoppingtour gehen.
Bei den gekauften Objekten muss es sich nicht um Autos oder Immobilien handeln, ein Saldo entsteht auch dann, wenn zum Beispiel Italiener ihr Geld bei einem deutschen Kreditinstitut etwa in Frankfurt deponieren, weil ihnen die Lage zu Hause zu unsicher erscheint. Auch die Anleihekäufe der EZB treiben die Target-Salden. Das ist dann der Fall, wenn italienische Staatsanleihen von einer Bank oder einer Investmentgesellschaft erworben werden, die ihren Anleihenhandel in Deutschland hat.
Ursprünglich war Target2 dafür konzipiert, grenzüberschreitende Transaktionen innerhalb der Euro-Zone zu erleichtern. Dieses Ziel hat das System auch erreicht. Doch inzwischen scheinen sich die Defizite und Überschüsse zu verstetigen. Aus Sicht von Kritikern bedeutet das: Die Deutsche Bundesbank stellt den Zentralbanken anderer Euro-Länder dauerhaft unbesicherte und unverzinste Kredite zur Verfügung, vor allem den Zentralbanken der Südländer Italien, Spanien und Portugal.
Manche Ökonomen sehen sogar eine neue verkappte Form der Staatsverschuldung am Werk, wie es jüngst die renommierte Harvard-Ökonomin Carmen Reinhart formuliert hat. Folgt man der Sichtweise von Reinhart, liegt Italiens Staatsverschuldung inzwischen bei rund 160 Prozent des Bruttoinlandsprodukts und nicht bei 133 Prozent, wie es in den offiziellen Zahlen immer heißt. Denn der Target-Saldo entspricht rund 27 Prozent der italienischen Wirtschaftsleistung.
Die Forderungen entsprechen dem Wert von 27.000 Tonnen GoldSinn und anderen deutschen Ökonomen ist es ein Dorn im Auge, dass das Target2-System weder eine regelmäßige Rückführung noch eine irgendwie geartete Absicherung der Forderungen vorsieht. Auch das Federal Reserve System in den USA kennt Salden, doch müssen diese nach einem bestimmten Zeitraum ausgeglichen werden. Im früheren Bretton-Woods-Regime der festen Wechselkurse wurden Negativsalden in Form von Gold ausgeglichen. „Würden die Target-Forderungen der Bundesbank von März zum herrschenden Kurs mit Gold beglichen, bekäme die Bundesbank weitere 27.000 Tonnen“, sagt Wirtschaftsexperte Sinn.
Diese Idee hat jedoch den Schönheitsfehler, dass so viel Edelmetall gar nicht verfügbar ist. So groß sind die Ungleichgewichte innerhalb des Target-Systems inzwischen, dass eine vollständige Tilgung mit Gold illusorisch wäre. Das am tiefsten in den Miesen steckende Euro-Land Italien verfügt über beachtliche Reserven, die zweitgrößten Europas, doch sind die 2452 Tonnen, die in den Büchern der Banca d’Italia stehen, lediglich 87 Milliarden Euro wert, also entsprechen nur einem Fünftel der Target-Verbindlichkeiten.
Italien ist längst nicht das einzige Land, das in den Miesen steht. Frankreich hat seinen Saldo auf 133 Milliarden Euro ausgeweitet, allein dieses Jahr sind rund 100 Milliarden dazugekommen. Für die zweitgrößte Euro-Land-Ökonomie ist das ein neuer Negativrekord. Spanien steht mit 377 Milliarden Euro in der Kreide, und das kleine Portugal bringt es immerhin auf ein Minus von 79 Milliarden. Zumindest hat sich der Trend dort nicht weiter beschleunigt, und der griechische Target-Saldo bildet sich sogar relativ schnell zurück. Griechenland stand einmal mit 110 Milliarden im Soll, heute sind es nur noch 46 Milliarden. Das größte Plusland neben der Bundesrepublik sind die Niederlande mit 135 Milliarden Forderungen.
Doch nicht alle messen dem Auf und Ab der Target2-Kurven die gleiche Dramatik bei. „Die Salden müssen beobachtet werden, aber solange die Euro-Zone zusammenhält, halten sich die praktischen Auswirkungen doch sehr in Grenzen“, sagt Folker Hellmeyer, Chefanalyst bei der Investmentgesellschaft Solvecon in Bremen. Tatsächlich kann man argumentieren, dass ein Plus oder ein Minus unter Notenbanken nur eine rechnerische Größe ohne praktische Relevanz ist, mögen die Zahlen auch noch so imposant sein. Ein echter Schaden würde nur dann entstehen, wenn wirklich ein Land mit hohen Target2-Verpflichtungen aus dem Währungsklub aussteigt.
„Heute ist es eine buchhalterische Größe“Dann müssten die Überschussländer ihre Forderungen vermutlich zu 100 Prozent in den Wind schreiben. Denn die Defizite sind ja nicht nur nicht mit Gold besichert, sondern nicht einmal mit Wertpapieren. Dagegen führen manche freilich an, dass Zentralbanken auch mit negativem Eigenkapital operieren könnten, Verluste müssten also nicht unbedingt mit Steuerzahlergeld aufgefüllt werden.
Allerdings würde dann die Bundesbank auch auf Jahre oder gar Jahrzehnte keinen Gewinn mehr ausweisen und an den Bundeshaushalt abführen können. Den kontinuierlichen Anstieg der Salden führt Hellmeyer vor allem auf die Anleihenkäufe der EZB zurück, auch deshalb kann er keine Zuspitzung erkennen: „Vor einigen Jahren zeugte das Hochschnellen von einer echten Kapitalflucht aus Südeuropa, heute ist es eher eine buchhalterische Größe.“
Dennoch dürften die neuen Target2-Zahlen auch für EZB-Chef Mario Draghi eine schwer zu knackende Nuss sein. Das von Draghi 2015 zur Stabilisierung der Währungsunion eingeführte Anleihenkaufprogramm läuft nach bisheriger Planung im September aus. Auf der bevorstehenden Zinssitzung am Donnerstag muss der oberste Währungshüter seinen 24 Kollegen im EZB-Rat einen Vorschlag unterbreiten, wie es weitergeht.
Explodierende Target2-Forderungen liefern den Anhängern einer restriktiveren Geldpolitik, den sogenannten Falken, Argumente. Sie halten eine Fortsetzung des Programms für überflüssig, wenn nicht sogar gefährlich. So wird das Phantom Target2 auch am Mittwoch und Donnerstag mit am Tisch sitzen, wenn die 25 Ritter der Geldrunde ihre Entscheidung treffen.
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Tuurlijk zijn de problemen nog niet opgelost. Wat je hier ziet is de nog altijd woekerende valutacrisis binnen de EU. En dat er nooit sprake is geweest van vergelijkbare economieen. Het gehele idee van 1 munt voor eens allen past en deugt niet.
Gelet op de huidige situatie in Italië verwacht ik zeker dat e.e.a. nu nog sneller scheef gaat groeien.
[ Bericht 1% gewijzigd door Drugshond op 13-06-2018 14:59:14 ]